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journalistische Seite von Sofie Stenzhorn

Königswinter, 03.09.2023

Das verkaufte Gesundheitssystem

Königswinter, 03.09.2023


Das verkaufte Gesundheitssystem


Es gab mal ein gutes Gesundheitssystem.
Es gab die notwendigen, z.T. auch möglichen, Verordnungen, man ging mit Vertrauen ins Krankenhaus, wußte, da wird geholfen und selbst alte Menschen hatten keine Angst.
Heute gibt es ein verkauftes Gesundheitssystem, bei dem z.T. nicht mehr Ärzte die Richtung, das Tempo oder wie und wann angeben, sondern Manager.
Man ahnt, was das bedeutet.
Nicht der Mensch und dessen Krankheiten stehen im Mittelpunkt, sondern die sogenannte „Wirtschaftlichkeit“:
Hier die klaren Richtlinien:
„Wirtschaftlichkeitsgebot
Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist wie das Gebot der Qualität ein wesentlicher Maßstab für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dabei ist der Begriff der Wirtschaftlichkeit ein unbestimmter Rechtsbegriff, der vom Gesetz (§ 12 SGB V) so beschrieben wird: Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Dies bedeutet im Einzelnen:
• Ausreichend: Die Leistungen müssen dem Einzelfall angepasst sein, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen.
• Zweckmäßig: Entscheidend ist, dass die Leistung für das Behandlungsziel dienlich ist.
• Wirtschaftlich: Das angestrebte therapeutische oder diagnostische Ziel muss durch die Leistung effektiv und effizient zu erreichen sein.
• Notwendig: Die Leistung muss objektiv erforderlich sein, um im Einzelfall ausreichend und zweckmäßig zu sein.“


https://www.aok-bv.de/lexikon/w/


Als Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung:
Laktoseintoleranz

• Behandlungsmöglichkeit
• Laktase-Substition
Laktase wird nicht von der Krankenkasse bezahlt, aber hilft enorm bei meiner Laktoseintoleranz (bei anderen natürlich auch) mit 28.000 Einheiten pro Mahlzeit.
80 Tabletten Laktase kosten im Durchschnitt ca. 30 Euro.
Manche Menschen erhalten Ernährungszulage von Ämtern, ca. 50 Euro.
Tja, da ist die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben, also selber zahlen. Für die speziellen Ernährungsvorlagen, wegen anderer Erkrankungen reichen dann die übrigen 20 Euro nicht mehr.
Wenn man keine großen Mahlzeiten zu sich nehmen kann, sondern vier bis fünf kleine, bei denen in irgendwas immer irgendwelche Milchprodukte drin sind, halten 80 Tabletten bei im Durchschnitt 4 Mahlzeiten, ca. 20 Tage.
Natürlich ist Laktoseintoleranz eine Krankheit, die umso schwieriger wird, je mehr Unverträglichkeiten oder Allergien man hat.
Krankenkasse sagt nein zum zahlen der Laktase.
Verkauftes Gesundheitssystem. Profit vor Mensch.
Wir dürfen aber auch nicht die schlechten Arbeitsbedingungen im verkauften Gesundheitssystem vergessen.
Da ist Stress, wenig Personal. Klar, wenig Personal, weniger Kosten.
Auch Ärzte haben Stress.
„Mindestens 20 Prozent der Ärzte leiden am Burn-out-Syndrom. Die Entwicklung emotionaler Kompetenz kann davor schützen.
Mit manifesten Beschwerden im Sinne eines Burn-outs haben mindestens 20 Prozent aller Ärzte zu kämpfen. In bestimmten Arztgruppen sind noch weit mehr betroffen.  “


https://www.aerzteblatt.de/archiv/43363/Burn-out-bei-Aerzten-Lebensaufgabe-statt-Lebens-Aufgabe


„Das Streben nach Profiten im Gesundheitswesen gefährdet die Gesundheit der Patienten und Ärzte. Durch immer mehr ökonomische Vorgaben werden ärztliche Entscheidungen in Diagnostik und Therapie immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Die unverzichtbare Zeit für Patienten, die nötige Zeit für eine Zuwendungsmedizin geht verloren. Es ist auch nicht akzeptabel, dass Klinikärzte täglich aufgefordert werden, Bettenbelegung unter ökonomischen Gesichtspunkten zu steuern. Angesichts vieler negativer Auswirkungen der fortschreitenden Ökonomisierung auf die Gesundheit der Beschäftigten und Patienten fordern die knapp 170 Delegierten aus NRW und RLP auf der diesjährigen Hauptversammlung in Köln, dass die Entscheidungsträger im Bund und den Ländern zukünftig bei allen gesetzgeberischen Maßnahmen im Gesundheitswesen das Primat einer unabhängigen ärztlichen Entscheidung in den Vordergrund stellen. “


https://https://www.marburger-bund.de/nrw-rlp/pressemitteilung/zunehmendes-profitstreben-gefaehrdet-patienten-und-aerzte


Pflegepersonal wird verschlankt, unangemessen wenig wird ihnen bezahlt, so müssen immer weniger immer mehr leisten auf Kosten ihrer Gesundheit.
Wie schon oben im zitierten Text des „Marburger Bund“ gesagt wird, geht die „Zuwendungsmedizin“ verloren.
Sie ist aber ein wichtiger Punkt , mindestens so wichtig, wie Schulmedizinische Maßnahmen wie Medikamte, und es ist ein Widerspruch, wenn sie immer mehr wegfällt, dafür aber Ärzte immer öfter Beschwerdebilder als psychisch bedingt bezeichnen, wo gerade, wenn es denn stimmt, die Zuwendungsmedizin wichtig wäre.
Das Problem ist aber, dass das Personal nicht psychologisch geschult ist. Weder Pflegepersonalt noch ärztliches Personal besitzt ausreichend Kenntnisse, es zu beurteilen.
Vergessen wir nicht, das Gesundheitssystem wurde verkauft.
Stichwort: Spezialisierung
Das bezieht sich auf Kliniken/Krankenhäuser.
Da gab es schon einen Fall. Eine psychosomatische Abteilung eines Krankenhauses, Marienhospital Bonn,  wurde integriert ins GFO-Kliniken Troisdorf.
Das Marienhospital, die Therapeuten, waren skeptisch. Aber sie hatten keine Chance, die Psychosomatik zog um nach Troisdorf.
Einige Monate später traf ich eine Ärztin der Bonner Psychosomatik die mir erzählte:
8 Therapeuten verloren ihren Arbeitsplatz, einer musste seinen Ausbildungsgang  ändern.
De facto war die Psychosomatik abgeschafft, auch wenn Troisdorf noch damit wirbt. Im Vordergrund der Behandlung stehen Medikamente, die Pharmaindustrie, ein großer Machtfaktor in unserem Land, jubelt.
Auf Kosten von Patienten.
Ja, Spezialisierung.
Was passiert. Wie ist das mit dem Peronal? Müssen Sie umziehen, weil ihr Bereich woanders stationiert wird?
Was ist, wenn ich einen Schlaganfall erleide und die nächste Klinik ist auf Chirurgie spezialisiert? Habe ich da Überlebenschancen oder die Chance ohne bleibende Behinderung weiter leben zu können?
Was passiert bei Verkehrsunfällen mit mehreren schwer- bis lebensbedrohlichen Verletzungen und in der Nähe ist nur Spezialisierung für internistische Erkrankungen?
Das sind Fragen, die  in der Öffentlichkeit nicht gestellt werden. Ich hatte mal Fragen beim Gesundheitsministerium gestellt, an Herrn Lauterbach, aber, ich solle erst mal alles lesen und das wäre noch in der Mache.
Meine Erfahrungen in Krankenhäusern sind negativer geworden, was mich natürlich ärgerlich macht, weil ich in dem Moment die Veränderungen nicht präsent habe.
Ich unterhalte mich mit vielen Menschen, alten Menschen auch und diese haben schon mittlerweile Angst, ins Krankenhaus zu gehen.
Ein trauriger Zustand.
Unser aller Aufgabe ist es dafür zu kämpfen, dass diese fatalen Änderungen auf Kosten aller, rückgängig gemacht werden.
Daran haben Ärzte, Pflegepersonal, selber in Krankenhäusern beschäftigte Reinigungskräfte ein Interesse.
Und wir alle?
Wir alle sind immer irgendwann in unserem Leben Patienten in einem Krankenhaus und unser Interesse an der Rücknahme der Massnahmen sollte das Wichtigste sein, denn es geht mindestens um unsere Gesundheit, wenn nicht gar unser Leben.
Wir sollten uns alle zusammenschließen, um die Verhältnisse im Gesundheitssystem wieder auf den alten Stand zu bringen, als noch die Ärzte und nicht die Manager das Sagen hatten.
Lesen Sie auch mein Interview mit Dr. Darwig, der in Bonn Oberarzt der Psychosomatik des Marienhospitals war.

https://www.aktuell-bis-generell.de/Archiv/Interview-mit-Dr-Darwig
 

 
 
 
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